Die Konferenzteilnehmer repräsentierten die folgenden Wissenschaften bzw. Fachgebiete:
Mineralogie, Geologie,
Geophysik, Paläontologie, Bodenkunde, Hydrologie, Polar_ und
Meeresforschung, Meteorologie, Physische Geographie,
Geomorphologie, Geoökologie, Anthropogeographie, Regionale
Geographie, Angewandte Geographie, Didaktik der Geographie,
Schulgeographie,
Museumspädagogik und Bildungspolitik.
Die Ziele dieser Erklärung sind:
erfüllen unsere
staatsbürgerliche Pflicht, indem wir in dieser Erklärung auf für
eine zukunftsfähige Entwicklung der Erde unverzichtbare
geowissenschaftliche und geographische Kenntnisse,
Fähigkeiten und Einstellungen hinweisen.
Wir tun dies
aus tiefer Sorge um die Zukunft der Erde
und um die notwendige Befähigung der Gesellschaft für eine
nachhaltige Entwicklung.
Wir beklagen
das Defizit der geowissenschaftlichen und geographischen Bildung
unserer Gesellschaft und die unzureichenden
Entfaltungsmöglichkeiten der
Geowissenschaften im Geographieunterricht der Schule
und in der Ausbildung der Geographielehrerenden an der Hochschule
.
Wir gründen
diese Erklärung auf die folgenden nationalen und internationalen
Dokumente:
International Charter on Geographical Education (Washington 1992),
Agenda 21 (insbes. Kapitel 35 und 36)
Déclaration internationale des droits de la mémoire de la Terre
(Digne-les-Bains 1991)
Universelle Erklärung der Menschenrechte 1948 (insb. Artikel 25
und 26)
Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland (insbes. Artikel
20a)
Habitat Agenda (Istanbul 1996).
Wir empfehlen
diese Erklärung allen Verantwortlichen in Politik und Bildung zur
Umsetzung in Schule, Hochschule und Gesellschaft zu beachten und
die
bildungspolitischen Konsequenzen zu ziehen.
Kenntnis und
Verstehen
der natürlichen Systeme der Erde (Landformen, Böden, Gewässer,
Klimate, Lebensgemeinschaften) und ihre Interaktionen
sowie der sozio-ökonomischenSysteme der Erde (Landwirtschaft,
Siedlung, Transport, Industrie, Handel, Energie, Bevölkerung
u.a.m.)
und der wechselseitigen Beziehungen zwischen natürlichen
Bedingungen und menschlichen Aktivitäten.
Fähigkeiten
zur Anwendung geowissenschaftlicher und geographischer Methoden
wie Feldbeobachtung und -kartierung und
zur Nutzung geowissenschaftlicher und geographischer
Informationsformen der Datenbeschaffung, -interpretation und
-anwendung.
Einstellungen und
Verhaltensweisen
Reges Interesse an ihrem Lebensraum und an der Vielfalt der
natürlichen und kulturellen Erscheinungen auf der Oberfläche der
Erde zu nehmen;
Die Schönheit der natürlichen Welt einerseits und die
Verschiedenheit der Lebensbedingungen der Menschen andererseits zu
schätzen;
Über die Qualität der Umwelt und den Lebensraum zukünftiger
Generationen besorgt zu sein;
Bereit zu sein, geographische Kenntnisse und Fähigkeiten im
privaten, beruflichen und öffentlichen Leben angemessen zu nutzen;
Den Einstellungen und Einsichten entsprechend zu handeln.
Dies ist nur auf geowissenschaftlicher Grundlage zu leisten.
Um eine angemessene
geowissenschaftlich/geographische Bildung unserer Gesellschaft zu
garantieren und um den Anschluß an die didaktischen
Entwicklungen in vergleichbaren Industriestaaten nicht zu
verlieren, sind die folgenden bildungspolitischen Konsequenzen
notwendig:
Stärkung der
Geographie als eigenständiges Fach
Damit eine sachgerechte Vorbereitung auf die Zukunft gewährleistet
werden kann, sollte Geographie zum Bildungskern der Curricula der
Primarstufe sowie
der Sekundarstufen I und II zählen. In der Sekundarstufe und
später sollte es von ausgebildeten Fachlehrenden als
eigenständiges Fach unterrichtet
werden. Geographie bildet ein Bindeglied zwischen Natur-und
Sozialwissenschaften und ist damit disziplinübergreifend. Außer
historischen und
sozialwissenschaftlichen Fragestellungen bezieht der
Geographieunterricht zentrale Inhalte der Geowissenschaften ein.
Die geographische Situation der
Erde ist erst aus ihrem erdgeschichtlichen Werden zu
verstehen.
Obligatorischer und
kontinuierlicher Unterricht
Es ist von wesentlicher Bedeutung, daß alle Schülerinnen und
Schüler durch alle Jahre der allgemeinen Schulbildung einen
kontinuierlichen
Geographieunterricht erhalten. Nur diese Voraussetzung macht es
möglich, daß sowohl der Beitrag der Geographie zur
Allgemeinbildung als auch ihr Anteil
an der Vorbereitung für das private und öffentliche Leben
gewährleistet werden kann.
Zeitbudget
Der Geographie sollte ein Zeitbudget zugebilligt werden, das den
anderen Kernfächern des Curriculums entspricht. Die Stundentafel
sollte regelmäßige
Unterrichtsstunden das ganze Jahr hindurch vorsehen, aber
auch die Möglichkeit größerer Zeitblöcke für Projekte und
Geländestudien gewährleisten.
Die Alfred-Wegener-Stiftung - Vertretung der deutschen Geowissenschaften - fordert daher:
Lehrerausbildung
und Lehrerfortbildung
Geowissenschaftliche Studienanteile müssen vorgesehen bzw.
Studienfachkombinationen von Geographie mit anderen Natur- oder
Geowissenschaften
ermöglicht werden, um kompetente Fachlehrende auszubilden. Nur
unter diesen Voraussetzungen ist eine qualifizierte
geowissenschaftliche Dimension
des Geographieunterrichts zu gewährleisten.
Geowissenschaften
als Bezugswissenschaften des Geographieunterrichts
Bei neuen Lehrplänen und Stundentafeln ist darauf zu achten, daß
u.a. alle Geowissenschaften zu den Bezugswissenschaften des
Geographieunterrichts
in der Schule zählen. Dies bedeutet, daß der Geographieunterricht
mehr als alle anderen Fächer breit interdisziplinär angelegt ist
und deshalb
entsprechende Entfaltungsmöglichkeiten benötigt.
Diese "Leipziger
Erklärung zur Bedeutung der Geowissenschaften in Hochschule und
Schule" wurde während der Alfred-Wegener-Konferenz im
Institut für Länderkunde in Leipzig vom 28. bis 29.
Oktober entworfen und während einer öffentlichen Veranstaltung
in der Alten Handelsbörse
in Leipzig am 30. Oktober 1996 proklamiert.
Die
Konferenzteilnehmer empfehlen allen Kultusbehörden die Übernahme
der Erklärung zur Verwirklichung einer angemessenen
geowissenschaftlichen und geographischen Bildung unserer
Gesellschaft.
Prof. Dr. R.
Meißner, Präsident
der Alfred-Wegener-Stiftung
Prof. Dr. G.
Heinritz, Präsident
der Deutschen Gesellschaft für Geographie
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